Schnitt im autobiografischen Dokumentarfilm
In den letzten Jahren mehren sich Dokumentarfilme, in denen der Filmemacher selbst zum Sujet wird. Ob bloßer dramaturgischer Kunstgriff als persönliche Perspektive auf ein Reportagethema, ob individuelle Sinnsuche, ob Aufspüren familiärer Geheimnisse oder das Erzählen der durch eine Besonderheit geprägten eigenen Lebensgeschichte – die Bandbreite dieses Genres ist groß, in der Montage aber gibt es immer eine Gemeinsamkeit: Neben dem Schnittmeister sitzt nicht nur der Regisseur, sondern eben auch der Protagonist. Inwieweit prägt das den Dialog im Montageprozess, die Auswahl von Bildern und Szenen, die Gestaltung möglicher Stilmittel wie der Voice Over aus Ich-Perspektive und nicht zuletzt die Ausformung einer Autorenhaltung?
Martin Kayser-Landwehr wird in diesem Praxispanel anhand verschiedener Filmausschnitte über zwei Zusammenarbeiten mit Filmemacher-Protagonisten an ihren sehr verschieden ausgerichteten Projekten berichten. David Sieveking zeichnet in David wants to fly einerseits seinen persönlichen Reifungsprozess inklusive Beziehungsdramen und esoterischer Sinnsuche nach, andererseits spürt er den globalen Missionierungsversuchen eines anderen Davids nach – den Aktivitäten David Lynchs für die Bewegung der Transmedialen Meditation und ihrer yogischen Flieger. Demgegenüber hat Postcard to Daddy von Michael Stock die persönliche Traumabewältigung des vom Vater missbrauchten Filmemachers zum Gegenstand und stellt – auch die Montage – vor die Herausforderung, eben jenem Vater persönlich zu begegnen und verschiedene Lebens- und Krankheitsstationen des Protagonisten Michael Stock in Beziehung zur familiären Vergangenheit zu setzen.
Martin Kayser-Landwehr
Martin Kayser-Landwehr begann in den frühen 1990ern seine Laufbahn als freier Editor für MTV, Spiegel-TV und VH-1. Er montierte seitdem zahlreiche TV-Dokumentationen, Reportagen und Shows. Zu seinen letzten Kino-Dokumentarfilmen gehören neben David wants to fly, Postcard to Daddy (beide 2010) auch No one but me (2012) und zuletzt Pink Elephants, der in Kürze erscheinen wird.
Der Filmemacher als Material und Montagepartner - Schnitt im autobiografischen Dokumentarfilm
Montag, 27. Oktober 2014, 10:00 Uhr
im OFF Broadway