Montage im Biopic

Ein gelebtes Leben hat nicht nur eine Tonalität, eine Haltung, einen dramatischen Konflikt – ein Kinofilm hingegen muss sich hier festlegen, um zu überzeugen. Gerade das Biopic bietet zahlreiche »Fallen« aufgrund des realen Vorbilds, dem gerecht zu werden man einerseits versucht, andererseits aber notwendig eine eigene Vision des erzählten Filmstoffs und letztlich auch der erzählten filmischen Figur entwickeln muss. Einige dieser Herausforderungen werden erst im Montageprozess offenbar, in dem final zentrale Fragen beantwortet werden: Wie setzt man eigene Vision, recherchierte Realität und Erwartungen der Zuschauer ins Verhältnis? Wo endet künstlerische Freiheit und beginnt Geschichtsklitterung? Wie findet man in der Montage ein »Urbild« für eine fiktionale Figur nach realem Vorbild, wie verleiht man den Ideen hinter der Figur visuell Ausdruck? Auf welche Nebenfiguren und Zeitebenen muss man eventuell in der Endfassung im Sinne dramaturgischer Gesetzmäßigkeiten verzichten, welche historisch relevanten Figuren können wie »beschnitten« oder mittels Montage »umgedeutet« werden, ohne Schaden zu nehmen?

Kurz: Wie wird man im Schnitt einem Leben gerecht und montiert die Mosaiksteine einer (filmischen) Biographie zu einem stimmigen Ganzen?

Barbara Sukowa als Hannah Arendt

Bettina Böhler wird Einblick in ihre Montagearbeit an zwei sehr unterschiedlichen Biopics geben: Hannah Arendt (R: Margarethe von Trotta) und Jud Süß – Film ohne Gewissen (R: Oskar Roehler) über den Süß-Darsteller Frank Marian. Beide Filme stehen zwangsläufig im Kontext der Nazi-Vergangenheit, müssen Stellung zu ideologischen Dogmen und persönlichen Haltungen von Figuren beziehen. Wie sich Autorenhaltung und Erzähltonalität in den Filmen spiegeln und welche Veränderungen Figuren erfahren haben, ist hier genauso Thema wie die Herausforderung, jeweils Originalmaterial wie die dokumentarischen Bilder des Eichmann-Prozesses im einen und historisches Filmmaterial des Originalfilms von Veit Harlan im anderen Fall organisch mit dem Rest zu verknüpfen.

Bettina Böhler

Ab 1979 absolvierte Bettina Böhler ein Praktikum im Kopierwerk und übernahm zahlreiche Schnittassistenzen. Seit 1985 arbeitet sie als freie Editorin vor allem im Spielfilmbereich; sie hat mehr als fünfzig Spiel-, Dokumentar- und Fernsehfilme montiert. Regelmäßig arbeitet sie mit namhaften deutschen Regisseuren wie Christian Petzold, Oskar Roehler und Angelina Maccarone zusammen. Für Margarethe von Trotta montierte sie das im Jahr 2012 erschiene Biopic Hannah Arendt. Bettina Böhler ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und seit 1991 als Dozentin für Schnitt an der DFFB tätig. 

Zwischen Fakt und Fiktion – Montage im Biopic
Samstag, 25. Oktober 2014, 18:00 Uhr

im Filmforum im Museum Ludwig

(In Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien Köln)