Herausforderung Porträtmontage

Thomas Harlan zu porträtieren ist eine facettenreiche Aufgabe – nicht nur ist er selbst Autor und Filmemacher gewesen. Ziel des Films über ihn soll seinem Wunsch nach sein, eine »Geschichte ohne Ich« zu erzählenlas. Das Fragmentarische der »Wandersplitter« liegt im Konzept, ebenso wie die Fokussierung auf den einen »talking head«, den Sprachakrobaten Harlan zwischen privat und politisch, anekdotisch und philosophisch. Aus diesen Lebens-Geschichten und der »Geschichte ohne ich« ein dem Zuschauer kenntlich werdendes Individuum zu kondensieren, ist die große Leistung der Montage. Gabriele Voss’ Schnittarbeit besteht wesentlich darin, jenseits von »Zeitzeugentum« oder »Künstlerporträt« einen Menschen allein durch seine Sprache Person werden zu lassen.

Paul Gratzig in Vaterlandsverräter

Auch Paul Gratzig in Vaterlandsverräter ist ein schillernder Protagonist, ein ehemaliger Künstler, ein lebender Konflikt – wenn auch in ganz anderer »Betriebstemperatur« als Thomas Harlan. Hier stellt sich dem Schnitt von Jörg Hauschild eher die Frage, wann schützt man den Protagonisten vor sich selbst, wann aber auch einmal das Publikum vor dessen Wucht. Und in einer anderen Variante der konzentrischen Annäherung an ein Leben mittels Montage werden Schritt für Schritt, Schnitt für Schnitt verschiedene Schichten dieser Biographie entblättert, weitere Mosaikstücke zusammengefügt. Die ausgefeilte Spannungsdramaturgie gewichtet die Anteile verschiedener Rollen Gratzigs wie Verräter, Vater, Künstler, Liebhaber, Zoon politicon und Außenseiter und gibt dem Zuschauer gezielt dosierte Informationen, ohne die Emotion auszuklammern.Wie sie sich ihren Protagonisten in der Montage genähert haben und vor welche Herausforderungen sie die Porträtmontage stellte, berichten Gabriele Voss und Jörg Hauschild im Gespräch mit Kyra Scheurer.

Jörg Hauschild

1989 nahm der in Gera geborene Jörg Hauschild sein Studium an der HFF »Konrad Wolf« auf und gründete 1993 mit zwei Kommilitonen die Kaspar-Hauschild (heute Kaspar-Albrecht) Filmgesellschaft, die zunächst Schnittdienstleistungen anbot – als eine der ersten auf dem AVID. Neben einer Kinderserie gehörten auch zwei Dokumentarfilme von Andreas Dresen zu den ersten Arbeiten. Mit Dresen verbindet Jörg Hauschild eine inzwischen mehr als 20-jährige Zusammenarbeit. Neben seiner Arbeit als Schnittmeister ist Hauschild auch als Komponist tätig; er lebt und arbeitet in Potsdam. 

Gabriele Voss

Gabriele Voss promovierte zum Dr. phil. über Wahrnehmungstheorie und Ästhetik. Seit 1978 arbeitet sie als Autorin, Filmemacherin, Editorin und Dramaturgin im Ruhrgebiet. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern des Filmbüros NW und nahm im Laufe der Jahre verschiedene Dozenturen an Hochschulen und Filmakademien wahr. Zu den zahlreichen Büchern, die Gabriele Voss veröffentlicht hat, gehören Titel wie »Die Kunst, die Welt zu zeigen« (1980) und »Schnitte in Raum und Zeit« (2006). Gabriele Voss wurde u.a. mit dem Adolf Grimme Preis, dem Kunstpreis der Stadt Witten sowie mit dem Verdienstorden des Landes NRW für ihr Engagement in der kulturellen Filmarbeit ausgezeichnet.

Phantombild oder Personenkult - Herausforderung Porträtmontage
Samstag, 25. Oktober 2014, 19:00 Uhr
im Filmforum im Museum Ludwig

(In Kooperation mit der UVK-Verlagsgesellschaft)