Laudatio von Uschi Reich

Die Laudatio der Produzentin Uschi Reich auf Barbara von Weitershausen anlässlich der Eröffnung von Filmplus am 24. Oktober 2014:

Babsi eben.

Oliver Baumgarten kann es bestätigen: Als die Anfrage per E-Mail kam, ob ich die Laudatio für Barbara von Weitershausen übernehmen würde, habe ich innerhalb einer Minute mit „ja“ geantwortet. So sehr hatte ich mich gefreut, dass sie den Schnittpreis bekommen wird. Denn eigentlich waren wir überzeugt, Barbara würde ihn nie bekommen, sie schneidet zu gut, man sieht ihre Schnitte nicht…

Und jetzt freue ich mich wirklich sehr für Dich, Barbara! Dass Deine Kollegen erkannt haben, wie gut Du durch Deine Art zu arbeiten, erzählen kannst. Wie Du der Geschichte dienst, wie emotional Du erzählst und wie exakt Deine Schnitte sind, wie angenehm Du uns, den Produzenten, Regisseuren, Tonbearbeitern, die Arbeit im Schneideraum machst,  durch Deine Zurückhaltung, Dein genaues Zuhören und die präzise Umsetzung, die Du oft erst einmal für Dich allein ausprobieren musst. Deine Kreativität!

Ich gratuliere Dir und ich gratuliere Ihnen, die sie Barbara gewählt haben. Oliver Baumgarten hat mich gebeten, die Rede persönlich, aus meiner Erfahrung heraus zu gestalten, das will ich gern tun. Es hat nur zur Folge, dass von den vielen, vielen Fernseh- und Kinofilmen, die Barbara geschnitten hat, meist nur die erwähnt werden, die mit der Bavaria zu tun hatten. Aber ich denke, ihr Gesamtwerk wird ja in den nächsten Tagen noch gewürdigt werden.

Kennengelernt haben Barbara und ich uns 2001 bei meinem zweiten Kinofilm in der Bavaria. Nach Pünktchen und Anton hatte ich vor, Schule zu drehen mit dem damals 25-jährigen Erstlingsregisseur Marco Petry. Hansjörg Weißbrich hatte Dich, Barbara,  Marco Petry empfohlen und zwischen euch beiden war – wie bei so vielen Regisseuren, die folgen sollten – sofort Vertrauen vorhanden. Und herausgekommen ist am Ende ein Film, den fast eine Million Zuschauer mochten.

Natürlich kannte ich sie vorher. Aus der Ferne habe ich – damals noch Studentin an der HFF München – sie oft an der Seite des großen Cutters Peter Przygodda gesehen, dessen langjährige engste Mitarbeiterin sie war und gleichzeitig seine gute Freundin, bis zum Tod. Ich habe Barbara mit Wim Wenders gesehen, in den Schneideräumen bei Arri, oder in der Mischung der Bavaria. Und manchmal auch im Capri, der legendären Eisdiele auf der Leopoldstraße. Sie gehörte zum Neuen Deutschen Film der 70er und 80er Jahre. Hat neben Wim Wenders mit Reinhard Hauff gearbeitet, Volker Schlöndorff, Ulf Miehe, Peter Handke, Klaus Lemke und vielen vielen mehr. Immer zurückhaltend, immer professionell. Immer, auch das muss mal gesagt werden, ziemlich gut angezogen. Babsi eben. Man sieht ihrer Arbeit auch heute oft noch an, dass sie lange am Steenbeck gesessen hat und Bild und Ton von Hand geschnitten hat. Die Kreativität des gelernten Handwerks ist auch heute noch in ihren Filmen zu sehen, ebenso wie die Ruhe und der Mut, eine Einstellung einfach auch mal stehen zu lassen und nicht nach jedem Atemzug zu schneiden. (Obwohl sie natürlich auch das kann.)

Mit Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen setzte sich unsere persönliche Kino-Zusammenarbeit ein paar Jahre später fort. Es war der zweite große Visual-Effects-Film, den ich produziert habe und natürlich wollten wir alles besser machen, als beim ersten. Du warst gespannt auf diese Herausforderung beim Schneiden und auch auf die Zusammenarbeit mit Franziska Buch, die ja damals nicht unbedingt den Ruf hatte, einfach zu sein. Und doch seid ihr bald Freundinnen geworden und habt noch bei vielen Filmen zusammengearbeitet. Unter anderem bei dem von mir produzierten Film Hier kommt Lola, bei dem es die Herausforderung war, Clips und Lieder in die Handlung so zu integrieren, dass sie den Erzählfluss nicht stoppen. Einer meiner persönlich liebsten Kinderfilme, weil wir auch im Kinderfilm den Mut hatten, konventionelle Erzählformen aufzubrechen. Und die Herausforderung mit den Special Effects haben wir auch geschafft. Zwei Studios, eins davon in Prag, learning by doing. Und wir waren froh, dass wir meinen sehr organisierten Mitarbeiter Bernd Krause an unserer Seite hatten.  Der Film ist dann auch wieder sehr erfolgreich geworden.

Barbara von Weitershausen

Wenn ich von Buddenbrooks spreche, dann muss ich auch von Dir privat sprechen und von der großen Loyalität, die Dich auszeichnet. Gegenüber dem Regisseur, der Dein direkter künstlerischer Partner ist, und gegenüber dem Produzenten, Deinem Vertragspartner, letztendlich. Wie Du die schwierige Situation gemeistert hast, zu der Schnittversion der Regie noch eine zweite, beauftragte Verleihversion zu schneiden und dennoch dem Regisseur so verbunden zu bleiben, dass er Dich für seinen nächsten Film engagieren wollte,  bleibt für mich unvergesslich. Auch die Situation, dass wir am Ende alle gemeinsam im Schneideraum saßen und diese Verleihversion gemeinsam wieder angepasst haben, hast Du mit Diplomatie und Sensibilität gemeistert. Auch dieser Film wiederum hat weit mehr als eine Million Zuschauer ins Kino gebracht. Du gibst Regie wie Produzent immer das Gefühl, dass keiner gegen den anderen ausgespielt wird. 

Du hast im Anschluss Summertime Blues geschnitten, den ersten langen Film meiner Tochter Marie und drei unserer vier Märchen für die ARD. Den frechen Froschkönig, den hochgelobten Sterntaler-Film, der für den Emmy Kids Award nominiert war, und Der Teufel mit den drei Goldenen Haaren, ebenfalls wieder nominiert. Die letzten beiden Filme mit Maria von Heland als Regisseurin. Wie immer hast Du ausgleichend gewirkt, wenn Franziska und ich uns im Schneideraum oder in der Mischung gefetzt haben, was zwischen uns immer wieder vorkommt, unserer Freundschaft keinen Abbruch tut, Du hast zugesehen, wie Maria im Schneideraum gekocht, ihr Leben organisiert und ihre Kinder versorgt hat. Du weißt sehr viel mehr über meine Regisseure, als ich je wusste und Du warst immer dezent. Du hast die Redakteure bewirtet und ihre Ideen geduldig ausprobiert, während wir noch versuchten, die Ideen in der Diskussion zu verwerfen.

Nur einmal in den langen Jahren unserer Zusammenarbeit – die Fernsehfilme habe ich jetzt gar nicht erwähnt – bist Du an Deine Grenzen gekommen. Bei dem Film Der Geschmack von Apfelkernen, eine große Familiengeschichte über drei Generationen. Ich habe unbedingt gewollt, dass Du den Film schneidest, weil ich dachte, dass er Dein Verständnis für die Emotionen braucht. Vielleicht habe ich zu wenig bedacht, dass eine Regisseurin wie Vivian Naefe lieber einen Mann an ihrer Seite gehabt hätte. Da für uns über all die Jahre Geschlechterfragen nie eine Rolle gespielt haben, und wir als Frauen immer viel Spaß bei unserer gemeinsamen kreativen Arbeit hatten, haben wir das Problem erst zu spät erkannt. Keiner von uns hat die nötigen Konsequenzen rechtzeitig gezogen, mit der einen Konsequenz, dass Du danach lange krank gewesen bist.

Ansonsten haben wir zwar mit unseren Regisseurinnen und Verleihern und Redakteuren viele, verschiedene Kämpfe ausgeführt. Das heißt, ich hab gekämpft und Du hast meist die künstlerische Lösung gefunden. Vielleicht ist es auch die typische Verklärung der Vergangenheit, aber ich erinnere mich nicht an große Verzweiflung bei unserer Arbeit. Ich erinnere mich an viele Diskussionen, die aber immer zielgerichtet zu einer Lösung geführt haben, zum Besten des Films.

Wenn man viel Zeit im Schneideraum miteinander verbringt, lernt man sich auch privat ganz gut kennen. So kanntest Du meinen Hund Lotta in allen Gesundheits- und Krankheitsstunden, und ich kenne den Hund Deiner Schwester Gila ganz gut, ich kenne Deine Katze aus Erzählungen – sie war nie im Schneideraum dabei.

Und ich kenne Paul, über Jahre, obwohl ich ihn nur ein paar Mal gesehen habe. Paul, der Dich jeden Nachmittag angerufen hat, wenn er aus der Schule kam, weil er mit Dir reden wollte. Nachdem seine Mutter gestorben war, als er noch sehr klein war, hast Du Dich um ihn gekümmert, warst seine Freundin, seine Bezugsperson in der Kindheit, in der Pubertät und bist es wahrscheinlich immer noch, obwohl er inzwischen erwachsen ist und studiert. Er hat noch einen kleinen Bruder. Für beide hast Du gesorgt.

Deinen großen Lehrmeister Peter Przygodda warst Du eine treue Freundin bis zu seinem letzten Tag, an dem Du ihn noch einmal in seinen Schneideraum in der Bavaria gefahren hast...

Irgendwo bist Du die Frau für die großen Gefühle der anderen.

Die Tiefe Deiner Empfindungen findet sich in beidem wieder, in der Arbeit und im Privaten. Deine Fähigkeit, mit Emotionen umzugehen, Deine Fähigkeit, auf andere einzugehen, ist immer da, für die Charaktere in Deinen Filmen oder die Menschen in Deinem wahren Leben. Dein Fleiß, nie versiegend, muss erwähnt werden.  

Und während ich diese Laudatio schreibe, fällt mir erst auf, wie viel wir bei Dir gelassen haben und gehofft haben, dass Du die Lösung findest. Und meistens hast Du es. Und wenn ich an Deine privaten Freundschaften denke, dann ist es dasselbe. Viel ist bei dir gelassen worden, Barbara, weil man dachte, bei Dir ist es aufgehoben und Du kannst es tragen. Und mir fällt auf, dass wir selten danach gefragt haben, was Du eigentlich bei uns lassen möchtest? Wie es Dir damit geht? Wir haben es einfach für selbstverständlich genommen,  dass Du da warst, so wie es selbstverständlich war, dass Du an über 80 Filmen gearbeitet hast, darunter noch einige Serien, also werden es über 100 sein: eine große kreative Handwerkerin, freundlich, zurückhaltend.   

Jetzt aber mit dem Preis, mit dieser großen Anerkennung wird alles anders! Jetzt, wo Du beschlossen hast, weniger zu arbeiten, stehst Du im Mittelpunkt. Genieße es! „Barbara – take your time, to enjoy your movie“, so sagen es die Amerikaner und ich sage, genieße die Tage der Anerkennung, Du hast sie verdient. Ich weiß, das ist nicht einfach, für jemand, der immer so viel gearbeitet hat und für andere da war, Zeit für sich selbst zu nehmen. Aber das musst Du jetzt lernen. Bleib gesund, das wünsche ich Dir von Herzen und noch ein paar schöne Filme – hoffentlich auch gemeinsam mit mir.

Barbara von Weitershausen